Das Verkehrssystem Eisenbahn steht
vor grossen Herausforderungen: Alternde
Infrastrukturanlagen und historisch
gewachsene Vielfalt sind zu ersetzen.
Standardisierung und Digitalisierung
müssen die Komplexität und damit auch
Systemkosten reduzieren und Mehrwert
für Kunden und Unternehmen schaffen.
BIM ist integraler Bestandteil der Digitalisierungsstrategie
und eine grosse Chance.
Die Bahn-Tochter DB Station & Service
AG zeigt, wie man sie nutzt.
Die DB Station & Service AG (DB S&S) hat die BIM-Pilotphase bereits
Ende 2016 abgeschlossen. Seither ist jedes neue Projekt ein BIM-Projekt.
Die Mitarbeiter haben Erfahrungen gesammelt, Standards entwickelt und
die „neue Denke“ in vielen Köpfen etabliert. Die Ergebnisse sind ermutigend,
die Herausforderungen nach wie vor gross und ... es gibt kein Zurück.
Projekte jeder Größe
Schon in der Pilotphase hat S&S die Planung für Neu- bzw. Umbauten
von rund 65 Haltepunkten mit Hilfe von BIM in Angriff genommen – eher
kleine Projekte mit Kosten von zwei bis vier Mio. Euro. Hier ließen sich
Fragen zum Aufbau der Bauteile-Bibliothek, zu Kommunikation und Prozessen
gut beantworten. Mittlerweile werden dank BIM auch hoch komplexe
Bahnhofsumbauten mit weit über 130 Projektbeteiligten erstaunlich
reibungslos geplant. „Wir haben mit Hilfe des BIM-Modells den Bauablauf
simuliert und wussten z. B. ganz genau, wann welcher Kran wo
steht und wie Bahn- und Baubetrieb nebeneinander ‚laufen‘ können“,
erzählt Erik Spieler, Projektleiter im Regionalbereich Südost. Die Planung
wird dadurch detaillierter; es wird erwartet, dass Kosten in der Bauausführung
eingespart werden.
Wissen weitergeben
Christopher Schumacher vom Regionalbereich Süd ist BIM-Power-User
und damit Ansprechpartner für die Fragen seiner Kollegen. Alle zwei
Wochen klärt man BIM-Fragen gemeinsam in einer Telefonkonferenz.
So kann jeder von den Erfahrungen der anderen profitieren. Wichtig sei,
dass man die Vorteile von BIM immer wieder aufzeige, Neuerungen erkläre
und Berührungsängste abbaue. „Wer jahrelang mit Papierplänen
gearbeitet hat, weiß ganz genau, wo er bestimmte Informationen findet“,
sagt Projektleiterin Michaela List, die im Regionalbereich Südwest auch
Projekte in der Ausführungsphase begleitet.
„Wenn es diesen Plan nun nicht mehr gibt oder ich ihn erst aus
dem Modell generieren muss, ist das mehr Aufwand.“ Darum sei
es nicht nur wichtig, festzulegen, wie ein Gebäude-, Bahnsteig oder
Anlagenmodell aufzubauen ist, sondern auch, welche Pläne,
Ansichten, Schnitte und Details zur Verfügung gestellt werden müssen.
Die Berliner Zentrale der DB S&S, wo auch Verkehrsanlagenplaner
und Architekten mit BIM planen, legt diese Regeln in Zusammenarbeit
mit den Regionalbereichen fest. Etwa alle sechs
Monate wird ein neues Release der BIM-Vorgaben veröffentlicht.
Miteinander reden
Die Kommunikation habe sich radikal verändert: Man produziert
weniger Papier und redet mehr miteinander. Wenn alle Projektbeteiligten
physisch oder per Web-Konferenz am Tisch sitzen und
das Modell diskutieren, fallen Fehler früher auf und neue Ideen
entstehen. Man dürfe das Planen mit BIM jedoch nicht auf das
einfache Zusammensetzen von Baustandards reduzieren, sondern
müsse mitdenken. „Wir können nicht jedes Bahnhofsgebäude
abreißen und neu ‚standardisiert‘ aufbauen, sondern wollen mit
der vorhandenen Bausubstanz umgehen“, erklärt Erik Spieler.
BIM sei eine nützliche Methode, ersetze aber nicht das Planungshandwerk,
das man bei der Bahn genauso wie bei den beauftragten
Generalplanern weiterhin beherrschen müsse.
Von der Planung zum Bau
Im nächsten Schritt geht es darum, die digitalen Modelle in der Bauausführung
und später auch im Betrieb zu nutzen. Der Übergang
in die Ausführungsphase ist heute geprägt von zahlreichen Genehmigungs-
und Freigabeprozessen. So fordert das Eisenbahnbundesamt
(EBA) noch immer klassische Papierpläne. Auch für die
internen Prozesse gibt es bindende Regeln, die nach wie vor eine
Unterschrift auf dem Papierplan vorsehen. In einem nächsten Schritt
werden diese internen Unterschriften durch Workflows in der Projektkommunikationsplattform
ersetzt. Mit dem EBA sind bereits
Pilotprojekte besprochen, um auch dort digitale Freigabeprozesse
zu etablieren. In einigen Projekten werden diese bereits praktiziert.
BIM ist auch eine Kulturfrage
Ein radikaler Methodenwechsel wie die BIM-Implementierung stellt
hohe Anforderungen. Die drei Projektleiter sind sich einig: Bei der
DB S&S herrscht eine Kultur des Vertrauens, der Offenheit und
der Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen. Die Kommunikation zwischen
der Zentrale, den Regionalbereichen und den externen
Planern funktioniert. Regeln sind ‚lebendig‘ und werden permanent
überprüft; die Vision der Deutschen Bahn ist der Treiber für
alle Entscheidungen: „Infrastruktur besser planen, bauen und betreiben
– bessere Infrastruktur planen, bauen und betreiben.“